»Trost«: Eine besondere Kraft
Wenn Sie im Internet nach einem Zitat zum Thema »Trost« suchen, werden Ihnen neben einigen sarkastischen Aussprüchen etwa von Friedrich Nietzsche vor allem Passagen aus der Bibel präsentiert. Noch immer finden viele Menschen in Situationen, in denen sie mit einer harten, unabänderlichen Realität konfrontiert werden, Trost im Glauben. Doch wohin wendet man sich, wenn man mit Religion fremdelt? Zumal die Umstände, in denen man Trost am dringendsten benötigt, häufig die sind, in denen er einem am weitesten entfernt zu sein scheint.
Diese Erfahrung machte auch Madeleine Hofmann, die nach Studien der Soziologie und der Politikwissenschaften als Journalistin und Autorin arbeitet. Mit 31 Jahren erkrankte sie an Krebs. Diese Diagnose, ihr Kampf gegen die Krankheit und die Gefühle der Mutlosigkeit, aber auch der Hoffnung inspirierten sie, das vorliegende Buch zu schreiben und mit ihm etwas in den Blick zu nehmen, das in solchen Situationen besonders kostbar ist: Trost.
Die Neuentdeckung des Trosts
Das Werk ist in Prolog, Einleitung, acht Kapitel und Epilog gegliedert. Die Autorin versteht es als Reise zu Inseln des Trosts. Die Stationen dieser Reise, die Möglichkeiten des Umgangs mit Schicksalsschlägen in den Blick nehmen, tragen Namen wie »Leiden«, »Festhalten«, »Hadern« oder »Hoffen«. Trost findet Hofmann – wie sicher die meisten Menschen – etwa im engsten Familienkreis oder bei Freunden. Die Autorin schöpft Trost aber auch aus Quellen, die einem vielleicht nicht unmittelbar in den Sinn kommen. Zum Beispiel aus der Biografie Matthew Perrys. Der Schauspieler, der den meisten als Chandler aus der 90er-Jahre-Sitcom »Friends« bekannt sein dürfte, berichtet darin sehr offen über seine jahrelange Alkoholabhängigkeit. Die Autorin haben vor allem die Kommentare zum Buch beeindruckt, die belegen, wie vielen Menschen mit ähnlichen Problemen Perrys Schilderungen Trost gespendet haben.
»Trost« war in den letzten Jahrzehnten nicht unbedingt ein Trendthema. In säkularisierten, stark von Hedonismus als Lebenshaltung geprägten Gesellschaften trat es in den Hintergrund, was sich auch in dem mäßigen akademischen Interesse am Thema Trost widerspiegelte. Das scheint sich zu ändern. Hofmann berichtet etwa von dem Studiengang »Spiritual Care« an der Universität Münster, der Theologie- und Medizinstudenten zusammenbringen soll, auf dass sie sich gemeinsam auch dem Thema »Trost« nähern. Als weiteres Beispiel dieser aktuellen Gegenbewegung nennt die Autorin Digital-Health-Start-ups wie »Selfapy«, das – auch in Kooperation mit Universitäten und Krankenkassen – Online-Therapieprogramme auf den Markt gebracht hat.
Das Buch liest sich wie eine Sammlung verschiedenster Möglichkeiten, den titelgebenden Trost zu finden. Der sehr familiäre, ja persönliche Ton der Autorin – das Werk ist vollständig in der ersten Person verfasst – erleichtert es, sich emotional auf ihre Gedanken und Erfahrungen einzulassen. Diese persönliche Note lässt dann auch einige seichte Stellen (»Definition von Trost […]: ›Seelenmassage‹. Das gefällt mir.«) verzeihlich erscheinen. »Trost« macht dem Leser sehr viele Angebote. Um sie wahrnehmen zu können, muss man sich freilich auf den Stil Hofmanns einlassen. Aber so ist es nun einmal auch mit dem Trost selbst: Wenn man sich nicht auf ihn einlässt, kann er seine stützende und bisweilen gar heilsame Wirkung nicht entfalten. Der Autorin hat ihre Krankheit übrigens inzwischen überstanden.
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