Tierseuchen: Nicht ein Killerpilz, sondern zwei

Um das Jahr 2006 bemerkten Wissenschaftler erstmals ein Massensterben unter Fledermäusen im US-Bundesstaat New York. Die verantwortliche Ursache – die als Weißnasenkrankheit bekannte Seuche – breitete sich anschließend rasch in Nordamerika aus und tötete Millionen Fledermäuse unterschiedlicher Arten. Ausgelöst wird sie durch den damals noch unbekannten Pilz Pseudogymnoascus destructans, der überwinternde Fledermäuse befällt und tödlich schwächt. Ein internationales Team um Nicola Fischer von der Universität Greifswald hat nun den Ursprung des Erregers genauer lokalisiert sowie ein Besorgnis erregendes Detail zu den Pilzen entdeckt. Pseudogymnoascus destructans ist nicht der einzige Pilz, der die Seuche auslösen kann: Es gibt noch mindestens eine zweite, eng verwandte Art, die wirtsspezifisch andere Fledermäuse befallen könnte.
Fischers Arbeitsgruppe hat für ihre Studie knapp 5500 Proben aus 27 Ländern und drei Kontinenten untersucht, um mehr über die Herkunft der Seuche zu erfahren. Die genetische Analyse offenbarte, dass es sich bei dem Pathogen tatsächlich um zwei kryptische Arten handelt, die zwar Gene untereinander ausgetauscht haben, sich aber in ihrem Genom doch deutlich unterscheiden. Beide Arten weisen geografisch unterschiedliche Populationen auf, und nur eine davon wurde bislang in die Vereinigten Staaten eingeschleppt. Für den Schutz der nordamerikanischen Fledermäuse stellt dies eine neue Herausforderung dar: Schafft auch das zweite Pathogen den Sprung über den Atlantik, könnte es völlig andere Arten bedrohen als sein bereits etablierter Verwandter – oder bereits betroffene Fledermäuse nochmals neu gefährden.
Gleichzeitig ermöglichten die Gendaten, dass Fischer und Co die Spur von Pseudogymnoascus destructans zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen: Als wahrscheinlichsten Herkunftsort identifizierten sie die Region Podillia in der Ukraine, wo es sehr ausgedehnte Höhlensysteme gibt, die lange Zeit von Höhlenforschern intensiv frequentiert wurden – gerade auch aus Nordamerika. Wohl über kontaminierte Ausrüstungsgegenstände gelangten die Pilzsporen von hier über den Atlantik nach New York, wo die Erreger schließlich neue Opfer fanden. Die Genanalyse spricht sogar dafür, dass dies auf eine einmalige Einschleppung zurückzuführen ist.
Während eurasische Fledermausarten sich im Laufe der Zeit evolutionär an den Erreger anpassen konnten und keinen Schaden nehmen, traf er in Nordamerika auf Tiere, deren Immunsystem noch keine Antwort auf die Pilze hat. Die Epidemie gilt als eine der verheerendsten, die jemals bei wild lebenden Säugetieren dokumentiert wurde. Neuere Bestandsaufnahmen deuten allerdings an, dass zumindest manche Fledermausarten beginnen, sich langsam vom Massensterben zu erholen. Umso wichtiger ist es, dass nicht auch noch der zweite Pilz den Weg über das Meer findet.
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