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Nachthimmel: Warum funkeln Sterne?

Das Funkeln von Sternen ist nicht nur Thema in Kinderliedern, sondern auch in der Astronomie. Einst war es ein Hindernis für Teleskope, doch heute sorgt die Art des Funkelns für überraschende Erkenntnisse.
Earendel, der Rekordhalter unter den Sternen

In einer schönen Nacht gehen Sie hinaus in die warme Sommerluft, lauschen den Grillen und atmen die Düfte der sprießend grünen Landschaft ein. Dann wenden Sie den Kopf zum Himmel. Sie sehen Hunderte von Sternen am Himmel, und die hellsten glitzern und schimmern auffällig.

Einige durchlaufen sogar das Farbregister des Regenbogens und erfreuen damit das Auge – es sei denn, Sie sind mit einem Teleskop unterwegs, um die Sterne zu beobachten. Dieses Funkeln ist nämlich für jeden durchschnittlichen Sterngucker schön anzusehen, aber aus wissenschaftlicher Sicht ist es ein Hindernis für astronomische Beobachtungen.

Das Funkeln ist die scheinbar schnelle Veränderung der Helligkeit und der Farbe eines Sterns. Dieses Phänomen heißt Szintillation, angelehnt an den Lateinischen Begriff für »Funkeln«. Obwohl es zugegebenermaßen schön aussieht, ist es für Astronomen auf der ganzen Welt ein Fluch.

Jahrtausendelang wurde das Funkeln jedoch missverstanden. Wie so viele wissenschaftliche Prinzipien wurde es von den alten Griechen fehldiagnostiziert, darunter auch Aristoteles, der es dem menschlichen Sehvermögen zuschrieb. Damals glaubten er und seine Kollegen, dass das Auge das Sehen aktiv herstellt, indem es Strahlen aussendet, die Objekte beleuchten und es uns ermöglichen, sie zu sehen. Diese Strahlen waren jedoch unvollkommen und je weiter ein Objekt entfernt war, desto mehr wurde der Strahl verzerrt; Sterne, die sehr weit entfernt waren, sollten also sehr stark von diesem Makel betroffen sein, weshalb sie funkelten. Es war Isaac Newton, der durch seine Studien der Optik schließlich die wahre Ursache für das Funkeln feststellte.

Eine grundlegende Eigenschaft des Lichts – die eigentlich für alle Wellen gilt – ist, dass es bricht, wenn es von einem Medium in ein anderes übergeht. Sie kennen das: Ein Löffel, der in einem Glas Wasser liegt, sieht an der Spitze der Flüssigkeit gebogen aus. Im Falle des Löffels geschieht dies, weil das Licht auf dem Weg zu Ihrem Auge vom Wasser im Glas in die Luft übergeht und dabei die Form des Löffels verzerrt, der eigentlich nicht gebogen ist. Das Ausmaß der Brechung hängt von den Eigenschaften der Materialien ab, durch die das Licht wandert. So kann zum Beispiel die Dichte eines Materials den Grad der Brechung beeinflussen. Auch bei Gas ist das der Fall – Licht, das sich nur durch Luft bewegt, wird also auch dann noch gebrochen, wenn die Luft an verschiedenen Stellen unterschiedliche Dichten aufweist.

Wäre die Erdatmosphäre vollkommen statisch und homogen, dann wäre die Brechung des Sternenlichts minimal. Unsere Luft ist jedoch ständig in Bewegung und alles andere als glatt. Die Winde, die hoch über der Oberfläche des Planeten wehen, sorgen für Turbulenzen. Dadurch werden Gase aufgewirbelt und es entstehen kleine Luftpakete mit unterschiedlicher Dichte, die sich hin und her bewegen.

Sternenlicht, das durch ein solches Luftpaket fällt, wird leicht gekrümmt. Von unserem Standpunkt auf der Erde aus betrachtet, verschiebt sich dabei die Position des Sterns leicht. Die Luft ist aber auch in Bewegung, sodass das Sternenlicht auf seinem Weg zu Ihrem Auge von einem Moment zum anderen verschiedene Pakete durchläuft. Jedes Mal ändert sich seine wahrgenommene Position, normalerweise zufällig, weil die Bewegungen der Luft recht turbulent sind. Was Sie dann am Boden sehen, ist ein Stern, der sich mehrmals pro Sekunde schnell nach links, rechts, oben und unten und in alle Richtungen dazwischen bewegt – mit anderen Worten: Er funkelt.

Das Ausmaß der Verschiebung wird von den Astronomen verwirrenderweise als »Seeing« bezeichnet, und es ist eigentlich recht gering. Die Verschiebung beträgt in der Regel nur wenige Bogensekunden, was einem sehr kleiner Winkel am Himmel entspricht – der Vollmond zum Beispiel ist etwa 1800 Bogensekunden breit. Sterne sind jedoch so weit von uns entfernt, dass sie nur einen winzigen Bruchteil einer Bogensekunde breit sind, ein winziger Lichtpunkt für das Auge. Schon eine winzige Bogensekunden-Verschiebung scheint sie darum herumtanzen zu lassen.

Das ist auch der Grund, warum Planeten typischerweise nicht funkeln. Jupiter zum Beispiel ist normalerweise mehrere Dutzend Bogensekunden breit, sodass das Flimmern seine Position nicht so stark beeinflusst und wir sein Licht als unbewegt wahrnehmen.

Bei Sternen in Horizontnähe ist das Flimmern in der Regel deutlicher zu sehen als bei solchen direkt über dem Kopf. Die Atmosphäre ist eine Lufthülle, die die Erde umgibt. Wenn wir gerade nach oben schauen, blicken wir durch etwa 100 Kilometer Luft, aber in Richtung des Horizonts erhöht sich diese Länge auf mehr als 1000 Kilometer! Dadurch hat die Luft viel mehr Möglichkeiten, das Sternenlicht zu brechen, was das Funkeln verstärkt.

Aber es ist nicht nur die Position, die das Funkeln beeinflusst. Verschiedene Wellenlängen und Farben des Lichts werden unterschiedlich stark gebrochen. Aus diesem Grund bricht ein Prisma oder ein Regentropfen hindurchscheinendes Licht in verschiedene Farben auf und erzeugt einen Regenbogen. Für einen Stern, der Licht in praktisch allen Farben aussenden kann, bedeutet dies, dass sein rotes Licht manchmal zu Ihnen hin- und sein blaues Licht weggebeugt wird, sodass der Stern rötlich erscheint. Einen Sekundenbruchteil später bricht ein anderes Luftpaket das blaue Licht zu uns hin, und der Stern leuchtet azurblau.

Dieser Effekt ist bei weißen Sternen in der Nähe des Horizonts am deutlichsten zu sehen. Sirius ist weiß und der hellste Stern am Nachthimmel. Wenn er auf- oder untergeht, kann er leuchtend aufblitzen und seine Farbe schnell ändern. Wahrscheinlich wird er darum so oft als UFO gemeldet! Wenn Sie also den Bericht hören, dass ein helles Raumschiff über den Bäumen schwebte und schnell seine Farbe änderte, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit nicht um ein außerirdisches Schiff, sondern um einen »außerirdischen Stern« handelte.

Für Astronomen hat das Funkeln jedoch noch eine ganz andere Bedeutung: Das Licht eines Objekts wird auf Grund des Funkelns über die Belichtungszeit eines Bildes verteilt. Details in einer weit entfernten Galaxie zum Beispiel wirken unscharf und verschwommen. Außerdem erscheinen schwache Objekte noch schwächer, weil ihr Licht verschmiert wird. Das sind ernste Probleme, für die wir glücklicherweise eine Lösung haben: adaptive Optik. In einigen Teleskopen befinden sich Sensoren, welche die Stärke des Funkelns erkennen können. Diese Informationen werden an einen Computer gesendet, der die Verzerrung schnell berechnet und dann im Teleskop Kolben hinter einem verformbaren Spiegel so einstellt, dass das Flimmern der reflektierenden Oberfläche ausgeglichen wird. Die meisten großen Teleskope am Boden verwenden diese beeindruckende Technik, die trotz der atmosphärischen Turbulenzen klare, scharfe Bilder liefert.

Das Funkeln hat auch einen wissenschaftlichen Nutzen. Nicht nur das Licht, das wir sehen, wird gebrochen, sondern auch Radiowellen, wenn sie das interstellare Medium – also das ionisierte Gas zwischen den Sternen – durchqueren. Pulsare sind schnell rotierende Neutronensterne, die in kurzen Abständen Radiowellenpulse aussenden. Die Radiowellen flimmern, wenn sie auf ihrem Weg zur Erde das interstellare Medium durchlaufen, und Astronomen können dieses Flimmern messen, um das Medium zu untersuchen. In Forschungen, die im April 2025 in Nature Astronomy veröffentlicht wurden, wurde dies ausgenutzt, um das Material im sonnennahen Weltraum zu untersuchen und Strukturen in der lokalen Blase zu kartieren, einer Region des Weltraums, welche die Sonne umgibt und in der frühere Supernovae einen Großteil der Gase ausgeräumt haben. Die Forschenden fanden 21 große Lichtbögen, die wegen der Turbulenzen im Inneren der Blase entstehen. Das war überraschend, da man bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen war, dass die Blase eher glatt ist.

Ich persönlich bin zwiegespalten, was das Funkeln angeht. Es ist zwar schön, aber es hat mir viel Kummer bereitet, als ich mit einem eigenen Teleskop zu forschen versucht habe. Je nachdem, was man untersuchen will, kann es aber dennoch nützlich sein. Man könnte also sagen, dass meine eigene Meinung über das Funkeln formbar ist; sie kann in beide Richtungen gebrochen werden.

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