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Schwarze Löcher: Physiker bauen eine »Schwarze-Loch-Bombe« im Labor

Aus Schwarzen Löchern lässt sich extrem viel Energie gewinnen – zum Beispiel, um eine gigantische Bombe zu bauen. Das Prinzip haben Fachleute nun im Labor umgesetzt.
Illustration eines Gammastrahlenausbruchs im Weltraum. Ein heller, weißer Lichtstrahl schießt aus einem leuchtenden, orangefarbenen Nebel in die Dunkelheit des Alls. Der Nebel umgibt den zentralen Lichtpunkt und erzeugt einen dramatischen Kontrast zum dunklen Hintergrund. Dieses Bild vermittelt die Intensität und Energie eines kosmischen Ereignisses.
Schwarze Löcher verschlingen nicht nur Energie, sondern können sie auch freisetzen.

Es wäre die wohl zerstörerischste Waffe des Universums: eine Bombe aus einem Schwarzen Loch. Dafür müsste man das galaktische Ungetüm bloß mit Spiegeln umhüllen – und schon macht es nach einer gewissen Zeit »bum!«. Dieses Prinzip der »Superradianz« haben Forschende um Hendrik Ulbricht von der University of Southampton nun im Labor nachgewiesen – allerdings mit einem rotierenden Metallzylinder statt mit einem Schwarzen Loch, wie sie in einer noch nicht begutachteten Studie berichten. »Diese Arbeit zeigt, dass eine Schwarze-Loch-Bombe tatsächlich im Labor gebaut werden kann«, sagt der Physiker Vitor Cardoso vom Niels-Bohr-Institut von Kopenhagen, der nicht an der Studie beteiligt war. »Damit bietet sie eine solide Grundlage, um die gesamte Physik von Schwarzen Löchern zu untersuchen.«

Schwarze Löcher gehören zu den seltsamsten Objekten im Universum. Sie vereinen so viel Masse auf engstem Raum, dass sie die Raumzeit bis ins Unermessliche krümmen. Kommt man ihnen zu nah, ist die Anziehungskraft so groß, dass ihnen nichts mehr entrinnen kann – nicht einmal Licht. Der Mathematiker Roger Penrose gehört zu den Pionieren, die Schwarze Löcher mathematisch im Detail untersuchten und wurde dafür im Jahr 2020 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Als er sich 51 Jahre zuvor mit rotierenden Schwarzen Löchern beschäftigte, stellte er etwas Überraschendes fest.

Wie Penrose wusste, steht in unserem Kosmos nichts still, auch Schwarze Löcher nicht. Die Massemonster drehen sich um sich selbst und verzerren dabei die Raumzeit. Sie bilden eine Art Strudel. Nähert sich diesem ein Objekt, wird es auf einer spiralförmigen Bahn immer weiter beschleunigt. Noch bevor das Objekt den Ereignishorizont passiert, ab dem nicht einmal mehr Licht den Fängen der Schwerkraft entkommen kann, landet es in einem Bereich, den Physiker als »Ergosphäre« bezeichnen. Dort müsste sich das Objekt schneller bewegen als das Licht, um der Drehung um das Schwarze Loch zu entrinnen.

Diese Ergosphäre ist ein seltsamer Ort, wie Penrose feststellte. Denn dort ist es Objekten erlaubt, negative Energie zu besitzen. Ein Teilchen könnte sich zum Beispiel aufspalten: in einen Teil mit negativer und einen mit positiver Energie. Ersterer würde dann in das Schwarze Loch stürzen (und somit die Energie des Schwarzen Lochs verringern), während der andere Teil den Fängen des galaktischen Ungetüms entfliehen kann. Ein äußerer Betrachter sieht also ein Objekt mit Energie E auf das Schwarze Loch zufliegen, das daraufhin mit höherer Energie entflieht. Das Schwarze Loch büßt dabei einen Teil seiner Rotationsenergie ein.

Schwarze Löcher als Energiequelle

Damit könnten Schwarze Löcher als gigantische Energiequellen dienen. Denn nicht nur massereiche Objekte können auf diese Weise Energie gewinnen, sondern elektromagnetische Wellen könnten ebenfalls durch Schwarze Löcher verstärkt werden. Physikerinnen und Physiker haben daraufhin angefangen, sich vorzustellen, wie außerirdische Lebensformen das als Superradianz bekannte Phänomen zur Energiegewinnung nutzen könnten. Doch selbst wenn sich diese Signalverstärkung auf dem Papier beschreiben lässt, ist es bis heute unmöglich, sie an realen Schwarzen Löchern zu beobachten. Somit blieb die Superradianz zunächst nur Spekulation.

Zwei Jahre nach Penroses Arbeit erkannte der Physiker Yakov Zel'dovich, dass sich nicht nur Schwarze Löcher als Energiequellen anzapfen lassen. Jeder rotierende axialsymmetrische Körper, der elektromagnetische Strahlung absorbiert – etwa ein Metallzylinder –, kann unter bestimmten Umständen die Strahlung verstärken. »Grob gesagt muss sich der rotierende Absorber schneller drehen als die Phasendrehung der einfallenden Strahlung«, erklärt die Physikerin Maria Chiara Braidotti von University of Glasgow, die an der neuesten Arbeit beteiligt war. »Wenn diese Bedingung erfüllt ist, wechselt der Absorptionskoeffizient des Zylinders das Vorzeichen und verstärkt somit die Strahlung.«

»Stephen Hawking glaubte nicht an diese Idee und versuchte, sie zu widerlegen«Marion Cromb, Physikerin

Zel'dovich ging sogar noch einen Schritt weiter: Für Superradianz sei nicht einmal eine einlaufende elektromagnetische Welle nötig – der Prozess könnte sogar im Vakuum stattfinden. Denn das Vakuum ist alles andere als leer. Jederzeit ploppen Paare aus Teilchen und Antiteilchen auf, die sich sogleich wieder vernichten. Das Phänomen ist als Vakuumfluktuation bekannt. Und auch diese Fluktuationen könnten in der Nähe von Schwarzen Löchern – oder eines rotierenden Metallzylinders – verstärkt werden. »Stephen Hawking glaubte nicht an diese Idee und versuchte, sie zu widerlegen«, erklärt Marion Cromb, die in Ulbrichts Gruppe an der University of Southampton forscht und an der neuen Arbeit beteiligt war. »Dabei räumte er nicht nur ein, dass Zel'dovich Recht hatte, sondern konnte auch beweisen, dass selbst nicht rotierende Schwarze Löcher (ohne Ergosphäre) spontan Strahlung abgeben – was zur Entdeckung der Hawking-Strahlung führte.«

Den theoretischen Berechnungen zufolge fiele die Superradianz im Vakuum allerdings so klein aus, dass sie sich nicht nachweisen ließ. Es sei denn, man verstärkt dieses Signal. Wie Zel'dovich beschrieb, könnte man den rotierenden Körper (Schwarzes Loch oder Metallzylinder) mit Spiegeln umhüllen, welche die verstärkte Strahlung zum rotierenden Körper zurückreflektieren, wodurch diese erneut intensiver wird – immer und immer wieder. Wie die Physiker William Press und Saul Teukolsky erkannten, ließe sich so eine Bombe bauen: Innerhalb der Spiegel häuft sich so viel Energie an, dass es zu einer gigantischen Explosion kommt. Die Forscher bezeichneten den Aufbau daher als Schwarze-Loch-Bombe.

Je nachdem, wie viel Rotationsenergie das Schwarze Loch oder der Metallzylinder besitzen, ist allerdings auch ein anderes Ende denkbar als eine gigantische Explosion. Das beschrieben Cardoso und seine Kollegen in einer 2004 erschienenen Arbeit. Die Superradianz kann stoppen, wenn das Schwarze Loch oder der Metallzylinder vor der Explosion zu viel Drehimpuls verliert.

Explosionen im Labor

All diese theoretischen Vorhersagen wollte das Team um Ulbricht nun im Labor testen. »Ursprünglich dachten wir, dass es zu schwierig sein würde, den tatsächlichen Effekt zu beobachten«, sagt Braidotti. Denn ein Zylinder müsste dafür extrem schnell rotieren – so schnell, dass er dabei zerstört würde, erklärt die Physikerin. Deswegen widmete sie sich zunächst einfacheren Systemen, in denen Superradianz auftreten kann, darunter einem Aufbau mit Schallwellen. »Der Durchbruch war, dass wir gemerkt haben, wie man auf ganz einfache Weise die Frequenzen von elektromagnetischen Feldern verringern kann, damit sie kleiner als die Rotationsfrequenzen der Metallzylinder sind«, erklärt Ulbricht, der Leiter des neuesten Experiments. Sie brauchten dafür nur Wechselstromkreise. »Diese Erkenntnis eröffnete die Möglichkeit, das Experiment mit elektromagnetischen Wellen durchzuführen«, erläutert Braidotti.

»Die größte Schwierigkeit bestand darin, dass dauernd Dinge explodierten«Marion Cromb, Physikerin

Daraufhin widmete sich das Forschungsteam der elektromagnetischen Superradianz. »Der experimentelle Aufbau an sich ist recht einfach: Er besteht aus einem rotierenden Zylinder und den Statorspulen eines handelsüblichen Induktionsmotors, kombiniert mit einigen Kondensatoren und Widerständen«, erläutert Cromb. Diese Geräte wurden um den Metallzylinder platziert, so dass sie in ihrem Innern ein Magnetfeld erzeugten – und damit elektromagnetische Strahlung – sowie zugleich die Rolle eines Spiegels einnahmen, da sie die elektromagnetischen Wellen reflektierten.

»Die größte Schwierigkeit bestand darin, dass dauernd Dinge explodierten«, sagt Cromb. »Es war eine Gratwanderung zwischen der Messung eines vernünftigen Signals und der Überlastung des Systems. Wenn der Strom durch die Spulen zu hoch wurde, überschritten die Widerstände in der Schaltung ihre Nennspannung und brannten durch. Das unterbrach den Stromkreis zerstörte somit den ›Spiegel‹.«

Die Forschenden befürchteten zunächst, dass der Signalverlust im experimentellen Aufbau, etwa in den Widerständen, zu groß sein könnte, um die Superradianz zu beobachten. Doch sie hatten Glück. »Die Verstärkung war groß genug, um den Verlust zu überwinden und in den Bereich der Instabilität einzutreten«, erklärt Cromb. Tatsächlich konnten die Fachleute nachweisen, dass die Spannung in ihrem Aufbau wie von Zel'dovich vorhergesagt exponentiell anstieg. Damit haben die Fachleute erstmals die elektromagnetische Version einer Schwarze-Loch-Bombe im Labor umgesetzt.

Superradianz ohne Strahlungsquelle?

Anschließend testeten Cromb und das Team, ob die Superradianz im Vakuum stattfinden kann: Entsteht ohne Magnetfeld ein elektromagnetisches Signal im beschriebenen Aufbau? Diese These konnten sie nicht direkt überprüfen, da sie das Experiment bei Raumtemperatur durchführten. Dadurch werden die Vakuumfluktuationen von thermischen Schwankungen überschattet, die Ersteren jedoch stark ähneln. Ein thermisches Hintergrundrauschen erzeugt spontan elektromagnetische Wellen, die sich theoretisch verstärken lassen.

Auch das konnten die Forschenden in ihrem Experiment nachweisen. Indem sie die passende Rotationsgeschwindigkeit des Zylinders wählten, erzeugten sie gewissermaßen aus dem Nichts elektromagnetische Wellen. Und das von Cardoso vorhergesagte Szenario bestätigten die Fachleute: Durch die Superradianz verliert der Metallzylinder seine Rotationsenergie, was eine Explosion des Aufbaus verhindert.

Das Besondere an der Arbeit ist Ulbricht zufolge vor allem die Einfachheit des Versuchs. »Viele Physiker denken, dass alle einfachen Experimente schon gemacht wurden und dass neue Erkenntnisse zu den Grundlagen der Physik nur von sehr aufwändigen und sehr teuren Projekten kommen können«, berichtet Ulbricht. »Da haben wir das Gegenteil bewiesen.«

»Das bedeutet, dass Schwarze Löcher als gigantische Teilchendetektoren verwendet werden können«Vitor Cardoso, Physiker

»Ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand jetzt ein solches Experiment durchführen könnte«, sagt Cardoso. Am Tag, an dem die neue Arbeit erschien, hielt er gerade einen Vortrag an der Universität im indischen Bangalore. »Ich sprach über Superradianz und sagte den Zuhörern, dass noch niemand die elektromagnetische Superradianz oder den Bombeneffekt im Labor nachgewiesen habe. Sie können sich also meine Überraschung vorstellen, als ich kurz darauf das Paper sah!«

Die neue Arbeit könnte es künftig ermöglichen, mehr über Schwarze Löcher zu erfahren, ist Cardoso überzeugt. »Superradianz ist ein klassischer Effekt, der nur wenig bekannt ist und in der Physik der Schwarzen Löcher eine wichtige Rolle spielt«, erklärt er. Zum Beispiel könnten extrem leichte Teilchen wie Axionen oder besondere Arten von Photonen, die als Kandidaten für Dunkle Materie gelten, die Rotationsenergie von Schwarzen Löchern aufnehmen, wodurch ihre Signale verstärkt werden. »Das bedeutet, dass Schwarze Löcher als gigantische Teilchendetektoren verwendet werden können«, sagt Cardoso. Die neue Arbeit ermöglicht es, solche Hypothesen genauer im Labor zu testen.

Ulbricht möchte künftig die Quantenversion des Experiments durchführen – also die spontane Erzeugung von elektromagnetischen Wellen und ihrer Verstärkung aus dem Vakuum beobachten. Der Nachweis, dass die Superradianz durch thermische Fluktuationen stattfindet, belegt zwar, dass der Effekt prinzipiell auch bei Quantenfluktuationen entstehen würde – denn in beiden Fällen handelt es sich um zufällig auftretende Schwankungen. Doch direkte Experimente mit den Vakuumfluktuationen könnten der Fachwelt völlig neue Möglichkeiten eröffnen. »Das wäre ein großer Durchbruch für die Physik«, so Ulbricht. »Man könnte dann das Quantenvakuum auf eine neue Weise erforschen und vielleicht in ein paar Jahrzehnten verstehen, ob es prinzipiell möglich ist, Energie aus dem Vakuum zu erzeugen – das wäre eine unerschöpfliche neue Energiequelle.«

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  • Quellen
Ublricht, H. et al.: Creation of a black hole bomb instability in an electromagnetic system. ArXiv: 2503.24034, 2025

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