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Mentale Phänomene: Wenn Gedanken plötzlich auftauchen

Unfreiwillige Gedanken wie Déjà-vus oder Erinnerungen aus dem nichts heraus kennt jeder. Doch wie lebendig wir sie empfinden und wie wir sie bewerten, verändert sich mit dem Alter.
Eine Person in sportlicher Kleidung balanciert seitlich auf einem Holzgeländer einer Strandpromenade und telefoniert dabei. Im Hintergrund sind ein Rettungsturm, das Meer und Dünen zu sehen. Der Himmel ist bewölkt, die Sonne scheint.
Während eines lästigen Telefonats ein wenig turnen? Nicht jedem Gedanken, der sich einem unvermittelt aufdrängt, muss man auch nachgehen.

Manche Gedanken lassen sich nicht kontrollieren. Sie kommen einfach, können einen überraschen, verunsichern oder inspirieren. Wie Menschen solche unfreiwilligen Gedanken empfinden, haben Fachleute um Christopher Steadman von der University of Minnesota in Minneapolis jetzt näher untersucht. Dazu analysierten sie drei Arten unfreiwilliger Gedanken: Déjà-vus, unfreiwillige autobiografische Erinnerungen sowie unerwartete Gedanken.

Als Déjà-vu (französisch: schon gesehen) bezeichnet man das unerklärliche Gefühl, eine Situation genau so schon einmal erlebt zu haben, obwohl das eigentlich unmöglich ist. Erinnert man sich dagegen an ein tatsächliches Erlebnis, aber der Gedanke daran fliegt einem unwillentlich zu, sprechen Psychologen von unfreiwilligen autobiografischen Erinnerungen. Unter unerwarteten Gedanken schließlich verstehen Wissenschaftler vermeintlich aus heiterem Himmel kommende Gedanken; diese sind von der aktuellen Situation, in der man sich befindet, inhaltlich weit entfernt und haben nicht unbedingt einen autobiografischen Bezug.

An der im Fachmagazin »Technology, Mind, and Behavior« veröffentlichten Studie nahmen mehr als 300 Personen teil; die Probanden waren zur Hälfte junge Erwachsene im Alter von maximal 30 Jahren und zur anderen Hälfte Personen, die mindestens 60 Jahre alt waren. Beide Gruppen sollten sich je ein Beispiel für ein Déjà-vu, eine unfreiwillige autobiografische Erinnerung und einen unerwarteten Gedanken ins Gedächtnis rufen und alle drei in einem kurzen Text beschreiben. Zusätzlich beantworteten sie zu jedem Gedankentyp einen Fragebogen auf Grundlage der »Appraisal Theory of Emotion«. Diese Theorie geht davon aus, dass unterschiedliche kognitive Bewertungen – etwa, wie relevant ein Ereignis für unsere persönlichen Ziele ist, oder, wie viel Kontrolle wir über ein Geschehen haben – die Entstehung von Emotionen beeinflussen können. Außerdem gaben die Probanden noch an, wie häufig die beschriebenen Gedanken im Alltag auftraten.

Déjà-vus sind demnach am seltensten; diese Form unfreiwilliger Gedanken hatte zudem die geringste emotionale Intensität und mentale Lebendigkeit. Trotzdem erlebten die Versuchspersonen Déjà-vus als positiver und vorteilhafter. Insbesondere bei jungen Personen zeigte sich eine klare Rangfolge: Déjà-vus standen an erster Stelle, gefolgt von unfreiwilligen autobiografischen Erinnerungen; an letzter Stelle der Beliebtheitsskala standen die unerwarteten Gedanken. Bei Älteren zeigte sich zwar dieselbe Tendenz, allerdings weniger deutlich. Die besonders positive Auffassung von Déjà-vus geht laut den Forschenden wohl auch auf die Vertrautheit zurück, die solchen Erfahrungen anhaftet. Die am negativsten aufgefassten unerwarteten Gedanken widersprachen dagegen häufiger persönlichen und sozialen Normen oder lieferten unerwartete Erkenntnisse über die eigene Person oder andere Menschen.

Weiterhin fiel auf: Ältere Personen empfanden unfreiwillige Gedanken insgesamt als positiver und lebendiger – und sie waren stärker überrascht von Gedanken, die sich ihnen ungewollt aufdrängten. Die Wissenschaftler führen das darauf zurück, dass man mit fortschreitendem Alter vertrauter mit den eigenen Gedankenströmen ist. Dadurch könnte es älteren Personen auch leichter gefallen sein, einzigartige, vollkommen unerwartete Gedanken zu erinnern.

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  • Quellen
Technology, Mind, and Behavior 10.1037/tmb0000150, 2025

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