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Kolibris: Tarnen sich die Küken dieser Vögel als Giftraupe?

Der Nachwuchs von Kolibris ist ein kleiner, feiner Happen für Fressfeinde. Doch zumindest eine Art hat einen faszinierenden Trick entwickelt, um diesem Schicksal zu entgehen.
Ein schillernder Kolibri mit blau-grünem Gefieder und weißem Nacken schwebt vor einer gelben Blüte und saugt Nektar. Die Flügel des Vogels sind ausgebreitet, während er in der Luft steht. Der Hintergrund ist unscharf und zeigt grüne und violette Farbtöne, die eine natürliche Umgebung andeuten.
Ein ausgewachsener Weißnackenkolibri steht im Schwirrflug vor einer Nahrungspflanze.

Für Vogelküken sind tropische Regenwälder ein gefährlicher Platz: Zahlreiche Fressfeinde – von Vogelspinnen über Schlangen bis hin zu anderen Vögeln – haben es auf den Nachwuchs abgesehen. Um die Überlebenschancen zu erhöhen, haben Weißnackenkolibris (Florisuga mellivora) im Lauf der Evolution womöglich eine besondere Anpassung entwickelt. Ihre Küken sind mit beigen Daunenfedern bedeckt, die an die Brennhaare von Raupen der Schmetterlingsfamilie Megalopygidae erinnern. Bislang konnte bei keiner anderen Kolibriart eine ähnliche Befiederung entdeckt werden, schreiben Jay Falk von der University of Colorado in Boulder und sein Team.

Während einer Studie im panamaischen Nationalpark Soberanía waren Studenten von Falk auf ein Nest der Weißnackenkolibris gestoßen, was zuvor noch nicht gelungen war. Sie überwachten es daher mit Hilfe einer Kamera und suchten es regelmäßig auf, um den Brutfortschritt zu dokumentieren. Den Forschern fiel dabei nach dem Schlüpfen auf, dass das Küken ganz anders als alle anderen bekannten Kolibrijungen aussah: Es besaß lange, flauschige Daunenfedern auf dem Rücken, weshalb es eher an eine Raupe als einen Vogel erinnerte.

Küken und Ei eines Weißnackenkolibris | Die Küken sind mit einem dichten, weißen Flaum umgeben, der an die Haare bestimmter Raupen erinnert.

Viele Schmetterlingsraupen entwickeln lange, teils sehr dichte Behaarung, die bei Kontakt brennende Substanzen freisetzen. Sie führen zu schmerzhaften Hautreaktionen, Entzündungen und teilweise sogar zu komplettem körperlichen Unwohlsein inklusive Fieber. Das soll Fressfeinde abschrecken und die Überlebensrate der Insektenlarven erhöhen. Die Kolibriküken machen sich dies zu Nutze und bauen in Form einer Mimikry – der Nachahmung potenziell gefährlicher Tiere – auf einen ähnlichen Abschreckungseffekt.

Zusätzlich kleiden die Vögel ihr Nest mit den Samen von Balsa-Bäumen aus dem Regenwald aus. Diese sehen ebenfalls haarig aus und tarnen die Küken darin. In einem Fall beobachteten die Biologen, wie sich eine Fleisch fressende Wespe dem Nest näherte, worauf sich das Küken ähnlich wie eine Raupe bewegte, wenn Fressfeinde auftauchen. Eine weitere Studie soll klären, ob Tarnung, Abschreckung oder beides zusammen die Überlebensraten von Küken erhöhen.

Raupe mit Brennhaaren | Die Larven der Schmetterlingsfamilie Megalopygidae sind für ihre dichten Brennhaare bekannt.

Die Weißnackenkolibris sind allerdings nicht die einzigen Vögel, deren Küken Raupen nachahmen. Der Nachwuchs des Grauen Tropfenflügeltyrannen (Laniocera hypopyrra) baut ebenfalls auf diese Taktik und imitiert die Behaarung von Raupen, deren Haare einen unangenehm reizenden Giftstoff tragen. Diese Larven leben in der Nähe des Nestes und sind leuchtend orange gefärbt. Die Tarnung des Vogelbabys reicht so weit, dass es sich der gleichen kriechenden Bewegungen befleißigt wie die Raupen selbst.

  • Quellen
Ecology 10.1002/ecy.70060, 2025

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