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Genetik: Wo die Liebe zur Musik herkommt

Wie sehr wir Musik genießen, liegt uns in den Genen. Sie beeinflussen auf unterschiedlichen Wegen, ob wir eine Gänsehaut bekommen oder am liebsten mitwippen.
Eine Frau liegt entspannt auf einem Sofa und hört Musik mit großen Kopfhörern. Sie trägt einen gelben Pullover und lächelt leicht. Neben ihr liegt ein dekoratives Kissen mit Fransen. Der Raum hat einen Holzboden und wirkt gemütlich.
Jeder mag Musik, könnte man meinen. Aber bei einigen geht sie direkt ins Herz.

Musik kann starke Gefühle wecken. Je nach Genre und Gelegenheit versetzt sie uns in Ruhe oder Ekstase, tröstet oder verbindet. Warum sich manche Menschen aber mehr für sie begeistern können als andere, war bisher wenig verstanden. Ein internationales Team um den Psychologen Giacomo Bignardi vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik im niederländischen Nimwegen ist dieser Frage nachgegangen. Die Ergebnisse, die im Fachblatt »Nature Communications« erschienen sind, zeigen: Die Freude an Musik liegt zum Teil in den Genen.

Das fanden die Wissenschaftler heraus, indem sie bereits vorhandene Daten von mehr als 9000 Schwedinnen und Schweden analysierten, die angegeben hatten, wie sehr sie Musik genießen. Der verwendete Fragebogen enthielt Aussagen wie »Ich bin immer auf der Suche nach neuer Musik«, »Musik leistet mir Gesellschaft, wenn ich allein bin«, »Wenn ich ein Lied mag, kann ich nicht anders als mitzusummen oder mitzusingen« oder »Bei manchen Melodien bekomme ich Gänsehaut«. Auf einer fünfstufigen Skala hatten die Versuchspersonen bewertet, wie stark die Sätze auf sie zutreffen.

Das Besondere: Die Befragten waren allesamt Zwillinge. So lässt sich die Erblichkeit eines Merkmals abschätzen. Eineiige Zwillinge sind genetisch identisch, während zweieiige nur so nah verwandt sind wie normale Geschwister, also etwa 50 Prozent des Erbguts teilen. Wenn sich eineiige Zwillinge in einem Merkmal ähnlicher sind als zweieiige, kann man daraus schließen, dass die Gene eine Rolle spielen. Je stärker eineiige Zwillinge im Vergleich zu zweieiigen in einem Merkmal übereinstimmen, desto größer ist der Einfluss der Vererbung.

Aus der Analyse der Daten schlossen Bignardi und sein Team, dass bis zu 54 Prozent der Unterschiede in der musikalischen Genussfähigkeit auf genetische Faktoren zurückgingen. 70 Prozent dieser Faktoren hingen dabei nicht mit den ebenfalls erhobenen musikalischen Fähigkeiten zusammen oder dem allgemeinen Talent, Dinge zu genießen. Demnach könnte es genetische Mechanismen geben, die speziell zur Freude an Musik beitragen. Die Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass verschiedene DNA-Mechanismen unterschiedliche Facetten des Musikgenusses beeinflussen – etwa die Empfänglichkeit für die emotionale Wirkung von Liedern oder den Drang, sich im Takt zu bewegen.

Um welche Gene es sich dabei genau handelt, kann die Studie allerdings nicht beantworten, da die Forscher nicht das Genom der Zwillinge untersucht, sondern nur statistische Analysen durchgeführt haben. Sie geben außerdem zu bedenken, dass für allgemein gültige Aussagen weitere Untersuchungen nötig seien, die nicht bloß Nordeuropäer in den Blick nehmen.

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  • Quellen

Bignardi, G. et al.: Twin modelling reveals partly distinct genetic pathways to music enjoyment. Nature Communications 16, 2025

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