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Materialphysik: Das perfekt gekochte Ei braucht 32 Minuten

Fluiddynamische Simulationen enthüllen eine Strategie für ein Frühstücksei mit gleichmäßig cremiger Konsistenz. Man braucht dazu bloß zwei Töpfe mit Wasser – und Geduld.
Ein weich gekochtes Ei mit flüssigem Eigelb sitzt in einem silbernen Eierbecher vor einem schwarzen Hintergrund.
Wie soll das Frühstücksei sein: fest, weich oder mit noch ganz flüssigem Eigelb? Gart man es in gleichmäßig heißem Wasser, wird das Eiweiß zuerst hart – und etwas gummiartig. Doch mit ein paar physikalischen Tricks gelingt es, das Weiße und das Gelbe vom Ei durchgehend wachsweich zu kochen.

Würden Sie so Ihr Frühstücksei kochen? Erst kommt es zwei Minuten in kochendes Wasser. Anschließend zwei Minuten in 30 Grad warmes Wasser. Dann wieder zwei Minuten zurück ins kochende Wasser. Und so weiter, insgesamt 32 Minuten lang. Eigelb und Eiweiß bekämen so eine durchgehend cremige Konsistenz, berichtet ein italienisches Forschungsteam um den Polymerphysiker Pellegrino Musto vom Nationalen Forschungsrat in Pozzuoli und den Materialforscher Ernesto Di Maio von der Universität Neapel. Sie nennen es »periodisches Kochen«.

Der halbstündige Aufwand ist nötig, weil die Bereiche im Ei bei verschiedenen Temperaturen aushärten: Der Dotter wird bereits bei 65 Grad Celsius fest, während die meisten Proteine im Eiklar erst bei 85 Grad stocken. Deswegen ist es schwierig, beide gleichzeitig auf dieselbe Konsistenz zu bringen.

Wer sein Ei komplett hart bevorzugt, kann es einfach zehn Minuten lang kochen. Wer allerdings eine cremige Textur besonders lecker findet, braucht Tricks. In der traditionellen japanischen Küche beispielsweise gibt es »Onsen-Eier«, die nach den heißen Quellen benannt sind, in denen sie über längere Zeit liegen, bei etwas weniger als 70 Grad. Dadurch gerinnen Eiweiß und Eigelb nicht vollständig. In modernen Küchen entspricht das dem so genannten Sous-vide-Garen im temperaturkontrollierten Wasserbad.

Das italienische Team wollte eine möglichst alltagstaugliche Technik für ein gleichmäßig weich gekochtes Ei entwickeln. Dazu berechnete es zunächst, wie sich die Hitze aus dem Kochwasser allmählich ins Innere fortpflanzt und dort die verschiedenen Proteine nach und nach stocken lässt. Anschließend verfeinerten die Fachleute ihre mathematischen Resultate mit Computersimulationen. Zuletzt bereiteten sie echte Eier auf verschiedene Weise zu.

Tatsächlich war bei klassisch hart oder weich gekochten Eiern das Eiweiß gummiartiger als bei den periodisch gekochten. Bei der neuen Garmethode nämlich, das heißt mit regelmäßigen Ruhepausen im warmen Wasserbad, breitet sich die Hitze des Kochwassers gleichmäßiger im Ei aus. Die Methode ist sogar dem Sous-vide-Garen überlegen, denn dort bleibt das Eiweiß flüssiger. Neben dem Mundgefühl war die Nährwertbilanz besser, die das Team mit spektroskopischen Untersuchungen ermittelte. Einerseits schienen sich die Aminosäuren besonders gut zu erhalten, andererseits fanden sich mehr Moleküle aus der Gruppe der Polyphenole, denen gesundheitsfördernde Eigenschaften nachgesagt werden.

Die neue Zubereitungsart verleiht den Eiern also nicht nur eine einzigartige Konsistenz, sondern scheint sie außerdem besonders gesund zu machen. Und sie braucht nicht einmal ausgefallenes Equipment – zwei Töpfe genügen. Und eine halbe Stunde Geduld.

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  • Quellen
Communications Engineering 10.1038/s44172–024–00334-w, 2025

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