Mysteriöse Membranbläschen: Bakterium bekämpft Krankheitserreger mit chemischen Bomben

Der harmlose Darmbewohner Escherichia coli nutzt kleine, mit Enzymen und Signalstoffen gefüllte chemische Bomben, um ein gefährliches Bakterium abzuwehren. Wie ein Team um Yu Kawagishi von der Kyoto University berichtet, binden die von einer Membran umhüllten Bläschen an den Krankheitserreger Streptococcus pyogenes und behindern dessen Zellteilung. Zusätzlich regeln die als extrazelluläre Vesikel bezeichneten Bläschen im Zielbakterium entscheidende Gene für die Aggressivität herunter, heißt es in der jetzt in der Fachzeitschrift »PNAS« erschienenen Studie. Dadurch habe das Bakterium infizierte Mäuse weniger krank gemacht. Streptococcus pyogenes verursacht bei Menschen unter anderem Scharlach und ist eines der »Fleisch fressenden Bakterien« hinter der nekrotisierenden Fasziitis, einer gefürchteten Weichgewebsinfektion.
Viele Bakterien geben unter speziellen Umständen solche von einer Membran umhüllten Bläschen in ihre Umgebung ab. Lange Zeit war ihre Funktion völlig unklar. Erst in den zurückliegenden Jahren wiesen Fachleute nach, dass sie unter anderem bei der Kommunikation zwischen Zellen eine Rolle spielen und Nährstoffe oder sogar Erbgut übertragen – darunter auch Gene für Antibiotikaresistenzen. Außerdem können die Vesikel Stoffe transportieren, die andere Bakterien töten. Das Team um Kawagishi untersuchte für seine Studie nun, welche Rolle die extrazellulären Vesikel tatsächlich für den Konkurrenzkampf zwischen verschiedenen Bakterienarten spielen. Dabei zeigte sich, dass das im menschlichen Mikrobiom weit verbreitete Escherichia coli mit Hilfe der Bläschen eine Reihe von Bakterien unterdrückt, und besonders stark den erwähnten Krankheitserreger Streptococcus pyogenes.
Wie die detaillierte Studie der Arbeitsgruppe zeigt, lösen die Vesikel im Zielbakterium eine ganze Reihe von Effekten aus. Der wichtigste dabei ist jedoch, dass die Zellteilung aus dem Ruder läuft und so die Bakterienkolonie langsamer wächst. Ursache dafür ist anscheinend, dass die Moleküle in den Bläschen verhindern, dass Streptococcus die entsprechenden Gene korrekt ausliest. Betroffen von diesem Störfeuer sind auch Gene, die eine wichtige Rolle bei Erkrankungen durch diese Bakterien spielen. Im Tierversuch verursachte mit solchen Vesikeln behandelter Streptococcus pyogenes bei Mäusen deutlich weniger schwere Infekte. Während die Untersuchung nicht direkt neue Therapien für solche schweren Erkrankungen hervorbringen wird, bietet sie neue Einsichten, wie das menschliche Mikrobiom potenziell gefährliche Bakterien in Schach hält.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.