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Psychologie: Ein Stoff fürs Miteinander

Das "Kuschelhormon" Oxytozin gilt als soziales Schmiermittel: Je mehr wir davon im Blut haben, desto empathischer und kooperativer verhalten wir uns. Neue Studien zeigen allerdings, dass der Botenstoff nur unsere Beziehungen zu Menschen stärkt, mit denen wir uns verbunden fühlen – zum Wohl der Gemeinschaft greifen wir dann sogar eher zu unlauteren Mitteln.
Oxytozinspiegel im Gehirn

Die Natur verteilt Gaben und Talente ziemlich ungleich an die Menschen. Nun machen das persönliche Umfeld und die Erziehung zwar eine Menge aus, aber in jüngster Zeit haben Wissenschaftler entdeckt, dass eine bestimmte Genvariante erstaunlichen Einfluss darauf hat, wie empathisch die Menschen sind und ob sie auch in Stress­situationen noch einfühlsam reagieren können oder nicht.

Die Genvariante bezieht sich auf die Andockstelle des als "Bindungs-" oder "Kuschelhormon" bezeichneten Oxytozins im Körper. Wenn der Rezeptor für diesen Botenstoff die molekulare Ausprägung AG/AA statt GG aufweist, sind die Menschen offenbar weniger empathisch und zugleich anfälliger für Stress. Auch auf Gefahren reagieren sie mit mehr innerer Unruhe und körperlichen Belas­tungsreaktionen. Wissenschaftler haben festgestellt, dass Menschen mit Autismus ebenfalls in der Mehrzahl die seltene AG/AA-Variante aufweisen und damit zumindest ein Teil ihres wenig einfühlsamen Verhaltens auf diese erbliche Prägung zurückgeführt werden kann.

Wenn Oxytozin die Bindung zwischen Mutter und Kind, zwischen Liebespaaren, aber auch zwischen Fremden festigt, ist es naheliegend, dass mit einem erhöhten Spiegel des Hormons im Körper auch das Ausmaß an Mitgefühl und Empathie steigt. So leicht ist das aber nicht zu beweisen, denn der genaue Zusammenhang zwischen der Höhe der Oxytozinkonzentration im Blut und jener im Gehirn ist noch unbekannt. Und im Gehirn lässt sich die Menge an Oxytozin beim ­lebenden Menschen nun mal nicht messen, erst recht nicht in den entscheidenden Situationen, in denen es um Nähe und Mitgefühl geht ...

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  • Quellen

Balliet, D. et al.: Ingroup Favoritism in Cooperation: A Meta-Analysis. In: Psychol. Bull. 140, S. 1556 – 1581, 2014

Barraza, J. A., Zak, P. J.: Empathy toward Strangers Triggers Oxytocin Release and Subsequent Generosity. In: Ann. N. Y. Acad. Sci. 1167, S. 182 – 189, 2009

De Dreu, C. K.: Oxytocin Modulates Cooperation within and Competition between Groups: An Integrative Review and Research Agenda. In: Horm. Behav. 61, S. 419 – 428, 2012

Domes, G. et al.: Oxy­tocin Improves »Mind-­Reading« in Humans. In: Biol. Psychiatry 61, S. 731 – 733, 2007

Hurlemann, R. et al.: Oxytocin Enhances Amygdala-Dependent, Socially Reinforced Learning and Emotional Empathy in Humans. In: J. Neurosci. 30, S. 4999 – 5007, 2010

Kosfeld, M. et al.: Oxytocin Increases Trust in Humans. In: Nature 435, S. 673 – 676, 2005

Krueger, F. et al.: Oxytocin Selectively Increases Perceptions of Harm for Victims but not the Desire to Punish Offen­ders of Criminal Offenses. In: Soc. Cogn. Affect. Neurosci. 8, S. 494 – 498, 2013

Rodrigues, S. M. et al.: Oxytocin Receptor ­Genetic Variation Relates to Empathy and Stress Reactivity in Humans. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 106, S. 21437 – 21441, 2009

Shalvi, S., De Dreu, C. K.: Oxytocin Promotes Group-Serving Dishonesty. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 111, S. 5503 – 5507, 2014

Stallen, M. et al.: The Herding Hormone: Oxytocin Stimulates In-Group Conformity. In: Psychol. Sci. 23, S. 1288 – 1292, 2012

Tost, H. et al.: A Common Allele in the Oxytocin Receptor Gene (OXTR) Impacts Prosocial Temperament and Human Hypothalamic-Limbic Structure and Function. In: Proc. Natl. Acad. Sci. USA 107, S. 13936 – 13941, 2010

Zak, P. J.: Oxytocin Increases Generosity in Humans. In: PLoS One 2, e1128, 2007

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