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Unwahrscheinlich Tödlich: Tod durch Tampons

Es ist selten, aber lebensbedrohlich: Das toxische Schocksyndrom. Welche Rolle spielen Tampons und Menstruationstassen bei seiner Entstehung – und ist Schwimmen während der Periode wirklich besonders gefährlich?
Ein weißer Tampon mit Rückholfaden liegt auf einem roten Hintergrund. Das Bild hebt die kontrastreiche Farbe hervor und betont die Hygiene und den Gebrauch von Tampons.
Hängt nicht nur der Tampon, sondern auch das Leben der Nutzerin am seidenen Faden?
Eines ist sicher: Irgendwann geben wir alle den Löffel ab. Weniger absehbar ist das Wie. Denn es gibt eine schier unendliche Zahl an Wegen, die einen Menschen ins Grab bringen können – manche von ihnen außergewöhnlicher, verblüffender und bizarrer als andere. In der Kolumne »Unwahrscheinlich tödlich« stellen wir regelmäßig solche Fälle vor, von bissigen Menschen über giftige Reisbällchen bis hin zu lebensgefährlichem Sex.

Auf dem Friedhof in meinem Heimatort steht ein Grabmal, das eine junge Frau mit Engelsflügeln darstellt. Meine Mutter erzählte mir einmal beim Vorbeigehen eine Geschichte, die sich in mein Gedächtnis eingebrannt hat: Das dort bestattete Mädchen sei gestorben, weil sie während seiner Regelblutung im See geschwommen sei, sagte sie. Das schockierte mich, denn ich hörte zum ersten Mal, dass Baden für Frauen besonders gefährlich sein könnte. Die Anekdote verfolgte mich bis in meine Jugend. Mit dem Einsetzen meiner Periode begann ich, mich davor zu fürchten, ins Wasser zu gehen. Ein paar Jahre lang war es so schlimm, dass ich während der Menstruation nicht nur das Freibad mied, sondern auch die Badewanne. Selbst beim Duschen fühlte ich mich zum Teil unwohl und unsicher. Denn ich hatte damals noch nicht verstanden, was genau die Kombination von Periode plus Wasser unheilvoll macht und welche Rolle Tampons dabei spielen.

Ich hoffe zwar, Mädchen und junge Frauen sind heute besser informiert. Dennoch lohnt sich ein Blick darauf, wie das so genannte toxische Schocksyndrom (kurz TSS) entsteht und was zu beachten gilt, um die lebensbedrohliche Infektion zu vermeiden. Denn es gibt einige Faktoren, die das Krankheitsrisiko stark in die Höhe treiben – und Dinge, die man tun kann, um auf der sicheren Seite zu bleiben.

Die Krankheit geht von Bakterien unseres Mikrobioms aus, die selbst bei gesunden Menschen auf der Haut sowie auf Schleimhäuten leben. Ein bekannter Vertreter dieser Gemeinschaft, der häufig Gesundheitsprobleme bereitet, ist Staphylococcus aureus, ein anderer Streptococcus pyogenes. Beide werden gefährlich, wenn sie die Erbanlagen für ein bestimmtes Toxin in sich tragen. Der Giftstoff veranlasst die Körperabwehr dazu, stark aktiv zu werden. Daraufhin entsteht ein so genannter Zytokinsturm und die Immunantwort entgleist, mit potenziell fatalen Folgen. Der Prozess äußert sich zuerst in Form von Fieber, Hautausschlag und Blutdruckabfall. Ohne rasche Behandlung mit Antibiotika nehmen bald auch verschiedene Organe Schaden. Der Tod durch Multiorganversagen kann bereits innerhalb weniger Stunden eintreten.

Die Fallstricke der superadsorbierenden Tampons

Meine Mutter war Anfang 20, als die menstruelle Variante des toxischen Schocksyndroms zunehmend Bekanntheit erlangte. Womöglich prägte sie die »Epidemie« von 1980 und 1981, als in den USA mehr als 1000 überwiegend junge Frauen erkrankten und Dutzende von ihnen an den Folgen starben. Die meisten dieser Infekte entstanden im Zusammenhang mit Tampons, und hier dominierte eine bestimmte Marke. Die Herstellerfirma hatte 1975 ein Produkt auf den Markt gebracht, das besonders stark adsorbierend (Flüssigkeit aufnehmend) war. Im Gegensatz zu seinen Konkurrenzprodukten schwoll dieser Tampon in die Breite, wodurch das Menstruationsblut besser am Auslaufen gehindert wurde. Doch jener Vorteil ging einher mit einem erhöhten Risiko für TSS. Als 1980 diverse Infektionsfälle mit den supersaugstarken Tampons in Verbindung gebracht wurde, nahm der Hersteller sie freiwillig vom Markt. Daraufhin sanken die Fallzahlen wieder. Wohl auch, weil Medienberichte die Nutzerinnen für die Gefahren sensibilisiert hatten.

Ein durch Staphylococcus aureus ausgelöstes toxisches Schocksyndrom – jene Variante, die insbesondere bei jungen und zuvor gesunden Frauen auftritt – ist heute wieder ein seltenes Leiden. Das Robert Koch-Institut rechnet mit einer Häufigkeit von etwa drei bis sechs je 100 000 Menstruierende. Dennoch tritt die Krankheit weiterhin im Zusammenhang mit Tampons auf – vor allem dann, wenn diese zu lang in der Vagina verblieben sind.

Wie sieht es mit Menstruationstassen aus?

Vereinzelt gibt es auch Ansteckungsfälle beim Gebrauch von Menstruationstassen. Die Infektion einer deutschen Frau Mitte 30 zählt zu den wenigen in der Literatur beschriebenen Fällen. Die Patientin hatte angegeben, ihre Menstruationstasse regelmäßig gewechselt und zweimal täglich abgekocht und desinfiziert zu haben. Wie es zu ihrer Krankheit kam, ist deshalb unklar. Insgesamt scheinen die Silikonbecherchen nach aktuellem Wissenstand in Sachen TSS allerdings nicht gefährlicher als Tampons zu sein. Anders verhält es sich mit »natürlichen« Alternativen wie Meeresschwämmchen. Diese sterblichen Überreste der Tiere lassen sich nicht gänzlich desinfizieren, weshalb sie generell nicht als Menstruationsprodukt taugen.

Doch was hat nun die Adsorptionskraft der Tampons mit TSS zu tun? Der Zusammenhang ist eher indirekt: Stärker adsorbierende Produkte können länger in der Vagina verweilen, bis sie vollgesogen sind. Das verleitet die Nutzerinnen dazu, sie seltener zu wechseln. Das nährstoffreiche Blut, das sich in den Mullbäuschchen sammelt, bietet Bakterien wie Staphylococcus aureus ein optimales Wachstumsmedium. Und im feuchtwarmen Klima eines durchtränkten Tampons vermehren sie sich besonders gut.

Was beim Schwimmen zu beachten ist

Hier kommt auch das Schwimmen während der Periode ins Spiel. Dabei getragene Tampons sind schnell mit Blut und mit Wasser gesättigt. Das Blut diffundiert rasch durchs Mullgewebe und zieht eventuell vorhandene Keime mit. Der durchnässte Tampon wird zum idealen Vermehrungsraum für Bakterien, weshalb es ratsam ist, ihn nach dem Schwimmen alsbald zu wechseln.

Das Risiko für TSS lässt sich insgesamt minimieren, indem man Tampons wählt, die an den Menstruationsfluss angepasst sind. Sie sollten ausreichend saugstark sein, so dass sie vier Stunden in der Vagina verweilen können. Nach maximal acht Stunden muss man sie auf jeden Fall auswechseln. Deshalb sollte man über Nacht besser auf Binden setzen, um diesen Zeitrahmen nicht zu überschreiten. Von »natürlichen« Alternativen wie Meeresschwämmchen sollte man sowieso die Finger lassen. Wer mit Tampon schwimmen geht, wechselt ihn am besten direkt danach.

In die Badewanne kann man während der Regelblutung übrigens gefahrlos ganz ohne Tampon steigen – denn nicht vom Wasser selbst, sondern vom vollgesogenen Tampon geht das TSS-Risiko aus. Ein Bad während der Periode hat sogar positive Effekte: Es entspannt, und das warme Wasser kann dabei helfen, Menstruationskrämpfe zu lindern.

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